Ich schildere mal einen (vermutlich nicht unüblichen) Fall, meinen Bruder (30): Er hat schon eine solide Drogenkarriere hinter sich, trotzdem haben wir (seine Familie) nie die Wahrheit über seine Karriere erfahren (Was, Wo, Wann). Er ist bereits dreimal ausgezogen und genauso oft als Wrack wieder zurückgekehrt. Im Moment ist er mit Sicherheit wieder "drauf" und zeigt die bekannten Syndrome:
- wenig/nichts essen
- extreme Aggressivität, wenn auf Drogen angesprochen
- kifft wieder
- phantastische Ideen, was er alles machen wird (er macht aber dann nie was)
- sinnlose Energieanfälle mit Tatendrang und Durchpowern
- auch im Sommer das Zimmer verdunkelt
- nächtelang wachbleiben usw. usw.
Die fast unerträgliche Aggressivität, die er bei jeder Form der Kritik an den Tag legt, macht ein Zusammenleben mit ihm praktisch unmöglich - alle Angehörigen sind schon völlig zermürbt.
Frage: Was tun? Das ist natürlich eine rhetorische Frage, die Antwort lautet üblicherweise: "solange er nicht freiwillig ...", dummerweise kann man nicht solange warten.
Mich würde mal interessieren, welche Optionen die Drug Scouts vorschlagen?
Dr. Frühling:
Hallo,
zuallererst möchten wir uns für die lange Wartezeit auf die Antwort entschuldigen. Aufgrund interner Überlastung war uns eine zeitigere Bearbeitung der Frage nicht möglich.
Es geht Dir bei Deiner Anfrage um Deinen Bruder, der, so schreibst Du, wohl schon langjährig Drogen konsumiert, und dies in einer Art und Weise, dass der Konsum starke Auswirkungen auf den zwischenmenschlichen Umgang innerhalb Eurer Familie hat.
Das Verhalten Deines Bruders, erst einmal abgesehen davon, ob es durch Drogen induziert wird oder nicht, scheint nicht nur negative Auswirkungen auf ihn selbst zu haben, sondern auch auf die ihm nahestehenden Menschen, sprich Eure Familie. Das Problem ist also nicht auf Deinen Bruder beschränkt, sondern bezieht auch andere Menschen mit ein. Die Fragen, die sich ergeben sind sehr komplex und schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, per E-Mail zu beantworten.
Um eine angemessene Hilfe zu bieten, sind weitere Informationen unabdinglich. Die näheren Umstände der Situation, in der ihr euch befindet, sind leider für uns schwer ersichtlich. Wir wissen einfach zu wenig über Dich, Deinen Bruder, das Umfeld.
Und gerade weil auch Du nicht weißt, was, wie oft und vor allem warum Dein Bruder Drogen konsumiert, ist es schwierig, zu etwas zu raten oder Optionen per E-Mail vorzuschlagen. Über seine "Drogenkarriere" zu spekulieren und daraus Antworten abzuleiten, wäre der falsche Weg. Man kann höchstens einige Tipps geben.
Der wichtigste Schritt ist, miteinander zu reden, auch wenn dies sehr schwer ist und man manchmal gegen Wände rennt. Aber nur durch Gespräche ist es wirklich möglich, genaueren Einblick in die Situation Deines Bruders zu erhalten, etwas über seine Bedürfnisse und Gefühle zu erfahren.
Aufgeschlossenheit und Verständnis sind hierbei unabdinglich und vielleicht der einzige Weg, um Fortschritte zu machen und wieder aufeinander zu zugehen. Vielleicht erfährt man auf diesem Weg, ob Drogen wirklich für das Verhalten Deines Bruders verantwortlich sind oder ob vielleicht auch andere Aspekte berücksichtigt werden müssen. In den wenigsten Fällen sind Drogen allein der Grund für Aggressionen. Häufig wird aggressives Verhalten auch dadurch hervorgerufen, dass dem Konsumenten kein wirkliches Verständnis für seine Entscheidung, z.B. zu kiffen, entgegengebracht wird.
Drogen zu konsumieren oder Drogen nicht zu konsumieren, ist in ersten Linie keine Frage des Gesetzes, sondern eine freie Entscheidung jedes Einzelnen. Manchmal entstehen durch unterschiedliche Ansichten zum Thema Drogen Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich, die unüberwindbar scheinen. Das sollte jedoch nicht der Anlass dafür sein, sich völlig voneinander abzuwenden. Im Gegensatz dazu sollten die Möglichkeiten nicht übersehen werden, sich gegenseitig zu bereichern, egal welche Ansichten man hat. Besonders in Familien sollten die Voraussetzungen von Natur aus gut sein, um Platz für Begegnungen zu bieten, in denen jeder gleichberechtigt auftritt. Auch wenn das bedeutet, dass man über seinen Schatten springen und andere Antworten zulassen muss als die, die einem am nächsten liegen. Das kann auch heißen, dass unterschiedliche Auffassungen, wie mit Drogen umzugehen ist, durchaus nebeneinander bestehen können, ohne sich auszuschließen. Bedingung dafür ist aber, dass alle Seiten signalisieren, dass sie ein Miteinander auch wollen.
Für uns ist unklar, ob es Dir in ersten Linie darum geht, ein Zusammenleben zwischen Deinem Bruder und Dir möglich zu machen oder darum, dass Dein Bruder seinen Drogenkonsum einstellt. Ein persönliches Gespräch ist zur Beantwortung solcher Fragen auf jeden Fall günstiger als eine schriftliche Kommunikation über das Internet.
Hilfreich kann es sein, sich an eine professionelle (Drogen-) Beratungsstelle in Eurer Nähe zu wenden. Dort kann man mit fachlicher Betreuung gemeinsam nach Lösungen suchen. Diese Hilfe kann jede/r frei in Anspruch nehmen. Oft kann einem dort ein ganzes Stück weiter geholfen werden. Es ist deshalb auch möglich, wie in Deinem Fall, ohne Deinen Bruder zu einer solchen Beratungsstelle zu gehen, um sich persönlich beraten zu lassen. Auf diesem Wege ist es möglich, Probleme näher zu erläutern.
Leider bietet die Art der anonymen, schriftlichen Beratung per E-Mail kaum die Möglichkeit, auf solche vielschichtigen Probleme, wie in Deinem Fall, einzugehen oder vielleicht sogar konkrete Lösungsvorschläge zu machen.
Alles Gute
Dein Dr.-Frühling-Team
Die Informationen in unserer Antwort sind keine Anleitung oder Motivierung zum Drogenkonsum! Aufgeführte Substanzen können dem BtMG [Betäubungsmittelgesetz] unterliegen. Besitz, Erwerb und Handel damit sind strafbar! Wenn die Stoffe frei verfügbar sind, heißt das nicht, dass ihr Gebrauch ungefährlich wäre. Dieser Text wurde nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch können Irrtümer nicht ausgeschlossen werden. Die Drug Scouts übernehmen keine Haftung für Schäden, die durch irgendeine Art der Nutzung der Informationen dieses Textes entstehen.