Unter Drug Checking (engl. »Drogen testen«) versteht man die chemische Analyse von illegalisierten Substanzen, d. h. mittels verschiedener Verfahren wird untersucht, welche Stoffe in welchen Mengen in einer Substanz bzw. einer Pille enthalten sind. Die Ergebnisse der Untersuchung werden an die Konsument_innen, die ihre Substanzen zur Analyse abgegeben haben, weitergeleitet und Warnungen zu hohen Dosierungen, unerwünschten Substanzen oder gesundheitsgefährdenden Streckmitteln über Aushänge, Newsletter, Webseiten u. ä. in Umlauf gebracht.
Drug Checking Ergebnisse auf drugscouts.de
Drug Checking in der Praxis
Stationäres Drug Checking
Beim stationären Drug Checking geben User_innen den Bruchteil einer Substanz in einer Einrichtung ab. Meist handelt es sich dabei um eine Drogenberatungsstelle. Mitarbeiter_innen der Abgabestelle bringen die Proben danach zur umfassenden Analyse in ein entsprechendes Labor. Auf Grund der instrumentellen Voraussetzungen in einem solchen Labor können auch Analysen durchgeführt werden, die über die routinemäßige Untersuchung bekannter Substanzen hinausgehen. Man kann also hierbei auch Substanzen ermitteln, die neu sind und noch nie in einer Probe gefunden wurden. Das Analyseergebnis wird innerhalb weniger Tage vom Labor an die Abgabestelle gemeldet und von dieser an den Konsumenten / die Konsumentin weitergegeben, der / die dann bspw. erfährt, wie viel MDMA die abgegebene Pille enthält und ob bzw. welche weiteren Streck- oder Wirkstoffe enthalten sind. Die Probenabgabe bzw. die Ergebnismitteilung sind in der Regel mit einem Beratungsgespräch verbunden, in dem umfassende Infos zu den entsprechenden Substanzen gegeben werden und der Umgang mit den Testergebnissen besprochen wird.
On-Site Drug Checking (Vor-Ort-Test)
Beim On-Site Drug Checking wird die für die Analytik benötigte Laborausrüstung an einen bestimmten Ort (meist eine Party) gebracht. Zum Konsum entschlossene User_innen geben einen Bruchteil ihrer Substanz bei dem mobilen Labor ab und erfahren meist nach 15 – 30 Minuten, welche Stoffe in welcher Menge in der Probe enthalten sind. Falls gesundheitsgefährdende Stoffe enthalten sind oder der Wirkstoff in sehr hoher Konzentration vorhanden ist, wird auf der Party eine für alle Gäste sichtbare Warnung ausgehängt. Vor Ort ermittelbar sind in der Regel nur Substanzen, die auch schon einmal im Labor gefunden wurden, also »von denen man schon weiß«. Bei den Vor-Ort-Tests finden ebenso wie beim stationären Testing Beratungsgespräche mit den User_innen statt.
Was soll mit Drug Checking erreicht werden ?
Vorbeugung von Gesundheitsschäden durch
- Warnungen vor Substanzen mit besonders hohem Risikopotenzial
- einen verbesserten Zugang zu User_innen und die Möglichkeit, datenbasiert über Substanzkonsum und Risiken aufzuklären sowie Safer-Use-Inhalte zu vermitteln
- Förderung eines reflektierten, eigenverantwortlichen und risikobewussten Konsums
- eine mittel- und langfristige Beeinflussung des Drogen-Schwarzmarktes. Schlechte Qualität von getesteten Drogen könnte dazu führen, dass diese weniger verkauft oder gar zurückgegeben werden.
- Gewinnung von Informationen über Konsumtrends sowie Konsumformen und -gründe von User_innen, um Angebote der Prävention besser auf Bedürfnisse der User_innen abstimmen zu können
Verführt Drug Checking Menschen zum Drogenkonsum ?
Gegner_innen des Drug Checkings argumentieren häufig, dass es zu einer erhöhten Konsumbereitschaft durch die Einführung von Drug-Checking-Programmen kommen könnte. Verschiedene wissenschaftliche Studien kamen diesbezüglich zu folgenden Ergebnissen¹:
- Tests, verbunden mit einem Beratungsgespräch, haben keinen ermunternden Effekt, mehr Drogen zu konsumieren.
- Auf Partys mit Testangebot wird nicht mehr konsumiert als auf solchen ohne Testangebot. Da die meisten Pillen und andere Substanzen im Vorfeld einer Party gekauft werden, besteht die Konsummotivation schon vorher und beruht nicht auf der Inanspruchnahme eines Testangebots.
- Konsument_innen werden vorsichtiger und der Konsum wird weniger riskant.
- »Schlechte« Pillen oder Substanzen führen eher zu einem Konsumverzicht oder der Rückgabe an den / die Dealer_in.
- Drug Checking erreicht auch Menschen mit einem (hoch)riskanten oder abhängigen Konsumverhalten.
- Für viele User_innen stellt Drug Checking oftmals den ersten Kontakt zum Drogenhilfesystem her.
¹ u. a. Hungerbuehler et al: Drug Checking: A prevention measure for a heterogeneous group with high consumption frequency and polydrug use – evaluation of zurich’s drug checking services Harm Reduction Journal. 2011, 8 : 16, Benschop et al: Pill Testing – Ecstasy und Prävention. Eine wissenschaftliche Evaluationsstudie in drei europäischen Städten. Amsterdam: Rozenberg Publishers, 2002
Drug Checking in der BRD
Bereits in den 1990 er Jahren gab es erste Versuche, Drug Checking in der BRD zu etablieren. Der Verein Eve & Rave Berlin führte in Zusammenarbeit mit dem Berliner Krankenhaus Charité Drug Checking durch. Daraufhin kam es zu Strafverfahren gegen die verantwortlichen Projektmitarbeiter und das Programm wurde wieder eingestellt.
Prinzipiell ist »Drug Checking« in der BRD zwar rechtlich möglich, es gibt jedoch bisher keine user_innenfreundliche Umsetzung dieser Drogentestprogramme, weil sie in der BRD – im Gegensatz zu fast allen Nachbarländern – politisch nicht erwünscht sind.
Für potentielle Anbieter_innen von Drug Checking besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit – so könnte heute wie damals gegen jede Person, die Substanzen testet oder annimmt, um sie in ein Labor zu bringen, ein Strafverfahren wegen Drogenbesitzes begonnen werden, es sei denn diese Person ist Apotheker_in und der Test geschieht innerhalb der Betriebserlaubnis für eine Apotheke.
In der BRD existieren daher derzeit keine Angebote, die illegalisierte psychoaktive Substanzen einer umfassenden Analyse unterziehen, die dem hinreichenden Gesundheitsschutz von User_innen dient.
In einigen Bundesländern sind auf politischer Ebene jedoch Drug-Checking-Modellprojekte in Planung.
Drogenanalyse in Apotheken
Gemäß § 4 BtMG sind Apotheken in der BRD dazu berechtigt, Betäubungsmittel und betäubungsmittelverdächtige Substanzen entgegenzunehmen und einer Analyse zu unterziehen. Die meisten Apotheken haben jedoch nicht die technischen Möglichkeiten zur Analyse vor Ort, können aber die Proben in ein entsprechendes Labor schicken. Nach Zahlung einer Gebühr von 20 € bis 100 € (lokale Schwankungen) und einer Bearbeitungszeit von etwa 10 Tagen erhält man vor Ort eine mündliche Auskunft darüber, ob sich eine gängige illegalisierte psychoaktive Substanz in der Probe befindet. Man erfährt nicht, ob weitere (gesundheitsgefährdende oder unerwartete) Stoffe enthalten sind oder welchen Wirkstoffgehalt die Substanz hat. Allerdings weigern sich Apotheker_innen häufig, Proben zur Analyse entgegen zu nehmen.
Schnelltestverfahren
Zu den Schnelltests gehören z. B. Reagenzlösungen oder immunologische Schnelltestverfahren. Sie ermöglichen ausschließlich einen qualitativen (»Was ?«) und meist unspezifischen Nachweis von Substanzgruppen wie z. B. Amphetaminderivate, Opioide, Cannabinoide oder Kokain. Mögliche gesundheitsschädigende Verunreinigungen lassen sich nicht nachweisen. Auch können die Schnelltests durch in den Proben enthaltene Substanzen zu einem falschen Ergebnis führen. Die Marquis-Reagenzlösung z. B. reagiert auf jede Substanz mit einer anderen Farbveränderung. Sind etwa verschiedene Substanzen zum Strecken beigemengt, können sich die Farben vermischen und so das Ergebnis verfälschen. Chemische und immunologische Schnelltests für die unterschiedlichsten psychoaktiven Substanzen werden unter anderem im Internet-Versandhandel angeboten.
Drug Checking in anderen Ländern Europas
In den Niederlanden wurde bereits 1989 ein Drug-Checking-Programm (DIMS, Trimbos Instituut, Utrecht) gestartet. Ähnliche Programme existieren in der Schweiz (z. B. »Safer Party«, Zürich), in Österreich (z. B. »ChEck iT«, Wien) sowie in Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal und Tschechien. Derzeit wird eine europaweite Datenbank für Drug-Checking-Ergebnisse aufgebaut – TEDI (Trans European Drug Information). Die Notwendigkeit einer solchen
europaweiten Datenbank wurde im Rahmen der durch die Europäische Union geförderten »Safer Nightlife Platform« belegt.