Rausch bei Methylphenidat
Rausch bei Methylphenidat
Hallo liebes Dr. Frühling-Team,
ich hab im Freundeskreis jemanden mit ADHS, der Methylphenidat verschrieben bekommen hat, aber aufgrund von Nebenwirkungen (Depression & Aggression) verworfen hat. Dieser Freund fragte mich, ob ich eine Tablette ausprobieren will, um zu schauen wie sowas bei "normalen" Gehirnen wirkt. Da ich in der Prüfungsphase war, sagte ich zu, auch wenn ich 0 Erfahrung mit Psychostimulanzien habe. Ich nahm 10 mg Medikinet Retard ein und stellte mich mental auf schlimme Nebenwirkungen ein, aber das Gegenteil trat ein: Ich verspürte eine angenehme, mittelstarke Euphorie, wurde gesprächiger, selbstbewusster, risikobereiter und mir erschien alles total amüsant und lustig. Insgesamt ein schönes Erlebnis. Seitdem denke ich oft darüber nach, ob und wann ich mehr einnehmen werde und meine Gedanken kreisen oft um das Thema Amphetamine und welche stoffverwandten Alternativen es gibt.
Nun meine Frage: Auf Informationsseiten steht oft, dass dieses "Ritalin" weder euphorisch noch süchtig macht. Wieso reagiere ich dann so darauf? Bilde ich mir das nur ein?
Dr.-Frühling-Team:
Hallo,
Du möchtest von uns wissen, warum der Wirkstoff Methylphenidat bei Dir eine euphorische Wirkung hervorruft. Weiterhin fragst Du Dich, ob das Medikament (nach einmaligem Konsum) abhängig machen kann, da Du Dir viele Gedanken um einen erneuten Konsum machst. Zudem interessierst Du Dich für verwandte Stoffe von Methylphenidat, z.B. Amphetamine.
Vorweg müssen wir anmerken, dass jeder Mensch auf körperlicher und auf psychischer Ebene unterschiedlich auf den Konsum von psychoaktiven Substanzen reagieren kann. Daher kann die Wirkung immer individuell als stärker oder schwächer wahrgenommen werden.
Die Wirkung jeglicher Substanzen ist unter anderem abhängig von der Dosis, dem Wirkstoffgehalt, sowie der Konsumhäufigkeit und -dauer. Aber auch Dein Set und das Setting in dem Du konsumierst, sind entscheidend.
Das Set beschreibt Deinen körperlichen und psychischen Zustand, also Deine körperlichen Eigenheiten oder Vorerkrankungen, Deine generelle psychische Verfassung, auch Deine momentane Stimmungslage oder Tagesform und z.B. auch, welche Erwartungen Du an die Wirkung der Substanz hast. Das Setting ist das, was um Dich herum ist und auf Dich einwirkt - also der Ort an dem Du Dich während des Konsums aufhältst, die Menschen, die Dich umgeben, die Tageszeit, das Wetter, die Musik, etc. Alle drei zusammen, Substanz, Set und Setting, ergeben Dein individuelles Rauscherlebnis.
Methylphenidat, also der Wirkstoff von Medikinet© und Ritalin©, wirkt im Gehirn als Wiederaufnahmehemmer der Neurotransmitter (Botenstoffe) Dopamin und Noradrenalin. Durch solche Wiederaufnahmehemmer verweilen die Neurotransmitter länger an den Andockstellen im Gehirn und wirken dort somit länger. Die Freisetzung von Dopamin führt bei User*innen häufig zu einer anregenden Wirkung, erhöhter Wachheit und einer besseren Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Die Effekte können zu einem Rauschzustand führen, der einem „High“ ähnelt und Euphorie herbeiführt. Bei den meisten ADHS-Patient*innen bleibt eine Rauschwirkung bei Einnahme des Medikaments aufgrund spezifischer hirn-chemischer Prozesse in der Regel aus.
Die von Dir erlebte Wirkung ist also keinesfalls ungewöhnlich, da Du selbst kein ADHS hast.
Nebenwirkungen können in Form von Kopfschmerzen, Nervosität, verstärktem Schwitzen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Aggression, Angst, Schwindel, Herzrasen, Bluthochdruck oder Übelkeit bis hin zum Erbrechen auftreten.
Du hast beschrieben, dass Du 10mg Medikinet eingenommen hast. Diese Menge liegt eher im geringeren Dosierungsbereich und dient als Orientierungsdosis zur ADHS-Behandlung bei Kindern. Für Menschen, die wie Du noch keine Toleranz der Substanz gegenüber aufgebaut haben, kann bereits in diesem Dosierungsbereich eine Wirkung spürbar sein. Die Nebenwirkungen können allerdings bei einer geringeren Dosis auch weniger stark ausgeprägt oder kaum wahrnehmbar für User*innen sein.
Damit ist es wahrscheinlich, dass die von Dir beschriebene, positive Wirkung in den Vordergrund tritt und eventuelle Nebenwirkungen (z.B. schnellerer Herzschlag) von Dir nicht als unangenehm empfunden wurden.
Die euphorisierende Wirkung des ausgeschütteten Dopamins aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn. Daher besteht u.U. die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, da diese positiven Gefühle erneut erlebt werden wollen. Nach Deiner ersten, angenehmen Erfahrung mit Methylphenidat ist es normal, dass Du oft an diesen Zustand zurückdenkst und ihn gerne wieder herbeiführen möchtest. Dennoch sollte Dir bewusst sein, dass die häufige Einnahme bei Menschen, die das Medikament nicht ärztlich verschrieben bekommen haben, eine Belastung für den Körper und die Psyche darstellen kann.
Stärker wirksame Stoffe aus dieser Gruppe sind Amphetamine (Speed/Pep) oder Methamphetamin (Crystal), die bisher stärkste bekannte Stimulanz. Diese sind im Vergleich zu handelsüblichem Ritalin / Medikinet um ein Vielfaches wirksamer, wodurch schon bei geringen Dosen die Nebenwirkungen viel deutlicher hervortreten können. Dazu gehört auch unwillkürliches Kauen mit dem Kiefer sowie Schlafprobleme bis hin zur Schlaflosigkeit und viele weitere Nebenwirkungen.
Weniger starke Stimulanzien stellen Koffein und Teein in Form von Schwarz- und Grüntee, Kaffee, Mate, Guarana, Energy Drinks etc. dar. Bei hohen Dosierungen können Rauschzustände hervorgerufen werden, die jedoch eine starke Belastung für das Herz-Kreislaufsystem sein können. Zudem können sich bei längerem, hohen Gebrauch Langzeitnebenwirkungen und Entzugssymptome bei Absetzen der Substanzen zeigen. Der Gebrauch ist jedoch im Vergleich zu Amphetaminen und Amphetaminderivaten schonender für Körper & Psyche.
Wenn Du in Erwägung ziehst erneut zu konsumieren, empfehlen wir Dir Dich mit unseren Regeln zu Safer Use vertraut zu machen. Weitere Infos dazu und auch zu Koffein, Methylphenidat, Amphetaminen und Methamphetamin im Allgemein findest du in unseren Substanzinfos:
https://drugscouts.de/de/substanzen
Das Bedürfnis nach Erfahrungen mit anderen Stimulanzien muss nicht zwingend problematisch sein, kann aber Risiken mit sich bringen. Diese sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich, auch wenn man körperlich und psychisch weitestgehend gesund ist. Besonders jungen und psychisch labilen Menschen raten wir vom Konsum von Stimulanzien ab. Es besteht das Risiko, die Substanzen schnell in den Alltag fest mit einzubauen.
Man kommt mit diesen Substanzen in Leistungs- und Gefühlshöhen, die man sich vor dem Konsum schwer vorstellen kann. Besonders schüchterne, zurückgezogene oder depressiv veranlagte Menschen können Gefallen am Konsum von Stimulanzien finden. Dies kann bereits in kurzer Zeit zu dem Problemen führen, ohne die Substanz nicht mehr glücklich, offen oder leistungsbereit zu sein. Je jünger man ist, bzw. je mehr man in diese Richtungen veranlagt ist, desto schwerer kann das Aufhören fallen. Zudem kann häufiger oder dauerhafter Konsum einige gesundheitliche Probleme mit sich bringen, je nach Stärke der Substanz und Konsumhäufigkeit. Es ist daher ratsam mit dem Konsum zu warten, zumindest bis man älter ist und von sich selbst sagen kann, dass man gefestigt im Leben steht und eine*n „so schnell nichts aus der Bahn werfen kann“.
Wenn man Stimulanzien konsumiert, ist es immer ratsam dies als etwas Besonderes und Seltenes zu tun. Es hilft darauf zu achten, im Alltag auch noch andere Möglichkeiten zu haben, um Spaß und Glück zu finden oder Leistung zu bringen sowie nur zu konsumieren, wenn es einem*einer gut geht und man entspannt ist. Achte während der Rauscherfahrungen darauf genügend zu trinken und konsumiere nicht mehrere Tage hintereinander, denn damit kann man sich in kurzer Zeit durch Schlafentzug psychotische Probleme „heranzüchten“. Weitere Safer-Use-Hinweise sind in den jeweiligen Substanzinfos zu finden.
Alles Gute für dich!
Dein Dr.-Frühling-Team
Die Informationen in unserer Antwort sind keine Anleitung oder Motivierung zum Drogenkonsum! Aufgeführte Substanzen können dem BtMG [Betäubungsmittelgesetz] unterliegen. Besitz, Erwerb und Handel damit sind strafbar! Wenn die Stoffe frei verfügbar sind, heißt das nicht, dass ihr Gebrauch ungefährlich wäre. Dieser Text wurde nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch können Irrtümer nicht ausgeschlossen werden. Die Drug Scouts übernehmen keine Haftung für Schäden, die durch irgendeine Art der Nutzung der Informationen dieses Textes entstehen.