Lexikon
Gefahr im Verzug
"Gefahr im Verzug" bedeutet, dass es der Staatsanwaltschaft oder der Polizei möglich ist, die sofortige Durchsuchung einer Wohnung oder Person ohne richterliche Zustimmung anzuordnen und durchzuführen. "Gefahr im Verzug" ist ein zentraler Begriff des Polizei- und Ordnungsrechts und findet sich in Art. 13 des Grundgesetzes sowie in verschiedenen Normen einzelner Polizeigesetze der Länder wieder.
Normalerweise bedarf jede Durchsuchung eines richterlichen Beschlusses. Wenn jedoch die zuständige Richterin nicht erreichbar ist oder wenn in der Zeit von der richterlichen Unterrichtung bis zu deren Entscheidung mit einer Flucht, einem Verlust von Beweismitteln oder einem Schaden an einem Rechtsgut (Eigentum, Gesundheit, etc.) in näherer Zukunft zu rechnen ist, gilt "Gefahr im Verzug". Dabei müssen die Beamten das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachten, d.h. bei dringenden Fällen (z.B. wenn Leben in Gefahr ist) darf die Polizei entscheiden, ansonsten nur die Staatsanwaltschaft.
Während einer Durchsuchung, die mit "Gefahr im Verzug" begründet wird, gelten sowohl für die durchführenden Beamtinnen als auch für den Wohnungsinhaber die gleichen Rechtsnormen wie bei einer richterlich begründeten. "Gefahr im Verzug" ist nicht als besondere Maßnahme zu verstehen, sondern ersetzt lediglich die Rechtsordnung eines richterlichen Beschlusses!
Der Zweck der Maßnahme (d.h., warum die Wohnung etc. durchsucht wird) muss der betroffenen Person auf Verlangen auch genannt werden. Warum "Gefahr im Verzug" vorliegt, muss vor den Betroffenen aber nicht begründet werden.
Nach der Maßnahme muss "Gefahr im Verzug" im Verfahren durch einzelfallbezogene Tatsachen begründet werden. Die anordnenden Beamten (Polizei oder Staatsanwaltschaft) müssen in den Ermittlungsakten schriftlich festhalten, warum davon ausgegangen wurde, dass z.B. eine Gefahr des Beweismittelverlusts vorlag. Der bloße Verdacht auf den Verlust von Beweismitteln stellt keinen ausreichenden Grund für "Gefahr im Verzug" dar. Sollte diese Gefahr bei anschließender Prüfung der Akten nicht nachvollziehbar sein, gilt die durchgeführte Maßnahme als rechtswidrig. Das hätte zur Folge, dass die eventuell sichergestellten Beweismittel nicht vor Gericht verwendet werden dürfen, da sie unrechtmäßig erworben wurden.
Die Überprüfung, ob die durchgeführte Maßnahme der Polizei gerechtfertigt war, obliegt allein dem Richter und kann erst im Nachhinein erfolgen.
Für Dich würde das bedeuten, dass Du die Polizei bei der Durchsuchung zwar auf ein eventuell unrechtmäßiges Vorgehen hinweisen kannst, Dich aber grundsätzlich der Maßnahme beugen musst.
D.h., Du bist gesetzlich dazu verpflichtet, bei "Gefahr im Verzug" Maßnahmen wie eine Wohnungsdurchsuchung zu dulden. Du musst den Beamtinnen den Zutritt zu Deiner Wohnung gewähren. Innerhalb eines Monats hast Du die Möglichkeit, die Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit hin prüfen zu lassen. Dies kannst Du beim zuständigen Oberlandesgericht des jeweiligen Bundeslandes tun.
In größeren Städten wie Leipzig kommt es selten vor, dass "Gefahr im Verzug" einen richterlichen Beschluss ersetzt, da eine zuständige Richterin rund um die Uhr erreichbar ist.