Lexikon
Schwarzes Bilsenkraut/Hyoscyamus niger
Aussehen/ Vorkommen
Das schwarze Bilsenkraut gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. Es benötigt stickstoffhaltigen Boden und wächst daher auf Wegen, Schuttplätzen und an Mauern in ganz Europa. Zu finden ist es selten, deswegen steht es auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzenarten. Die ein- bis zweijährige, stark aromatisch riechende Pflanze wird 30 bis 80 cm hoch, ist zottig, klebrig und beharrt. Die Laubblätter sind buchtig gezahnt, in deren Achseln die schmutzig-gelben Blüten stehen, die violett geadert und zur Seite gewandt sind. Blütezeit ist von Juni bis Oktober. Die ei-förmigen Früchte beherbergen ca. 200 kleine graubraune Samen.
Inhaltsstoffe
Alle Pflanzenteile sind giftig und enthalten die Tropanalkaloide Hyoscyamin, Scopolamin und Atropin, welche in allen Nachtschattengewächsen (z.B. Tollkirsche, Stechapfel) vorhanden sind. Diese Alkaloide heben die Wirkung des körpereigenen Botenstoffes Acetylcholin auf und wirken zusätzlich auf das Zentralnervensystem. Die höchste Wirkstoffkonzentration findet sich in den Samen und Wurzeln.
Wirkung
Der Wirkstoffgehalt schwankt stark von Pflanze zu Pflanze. Die Verträglichkeit des schwarzen Bilsenkrautes ist bei jedem Menschen anders. Über 0,5 g schwere Blätter sind giftig. Bei Dosen von mehr als 1 mg Wirkstoffgehalt kann es zu visuellen Sinnestäuschungen kommen. Die minimale tödliche Dosis liegt bei einer Drogenmenge, die etwa 5 mg Alkaloiden entspricht. Bei Kindern können bereits 15 Samenkörner zum Tode führen.
Nach der anfänglichen Phase des Aufgeputschtseins (mitunter Aggressivität) kann es zu narkoseähnlichem Schlaf mit intensiven Träumen (z.B. sexueller Natur, Flugerlebnisse, außerkörperliche Erfahrungen) kommen. Die Träume und auch die Wirklichkeit wirken stark mystisch, geheimnisvoll, gruselig oder unheimlich. Im Wachzustand gibt es Veränderungen der Wahrnehmung von Geschmack, Geruch, Gehör. Auch optische Täuschungen sind möglich und werden als absolut real empfunden. Die Vergiftungserscheinungen sind ähnlich der Tollkirsche. Es kann zu Pupillenerweiterungen, Erbrechen, Mundtrockenheit, geröteter und trockener Haut kommen. Weinkrämpfe, Tobsuchtsanfälle, Sinnestäuschungen sowie Rededrang sind ebenso möglich. Die narkotische Wirkung der Gifte kann zu Bewusstseinsstörungen bis zur Bewusstlosigkeit führen und oft kommt es noch nach 2 bis 3 Tagen zu Gedächtnis- und Sehstörungen.
Verwendung
Schon im vorchristlichen Europa galt das Bilsenkraut als heilig, wurde für rituelle Zwecke eingesetzt und in den Alltag einbezogen. Zusammen mit anderen Pflanzen wurden u.a. Hexensalben und Liebestränke hergestellt. Bis ins 17. Jahrhundert wurde das Kraut dem Bier beigefügt, um die Wirkung zu verstärken. Es ist eines der ältesten Narcotica der Welt und diente als Beruhigungsmittel, gegen Schlaflosigkeit und Durchfall.
Heute werden überwiegend die Einzelsubstanzen zu standardisierten Fertigarzneimitteln verarbeitet (u.a. Scopolamin gegen Übelkeit und Erbrechen, Atropin zur Pupillenerweiterung bei augenärztlichen Untersuchungen, als Antidot gegen Vergiftungen mit Insektiziden, zur Narkosevorbereitung). Bei Luftwegserkrankungen, Ohrenschmerzen, Augenentzündungen und zur Krampflösung wird es ebenfalls eingesetzt.
Zubereitung
Die ganzen Bestandteile des Bilsenkrautes können verwendet werden: z.B. Essenz, Extrakt, Öl, Pflaster. In der Homöopathie wird die Pflanze in blühendem Zustand zur Herstellung von Urtinktur verarbeitet. Blätter und Samen können geraucht werden. Zudem können die Blätter zu einem Tee aufgekocht werden oder aber die Samen werden roh zerkaut und geschluckt.
Safer Use
Die Wirkung lässt sich individuell am besten dosieren, wenn Samen und Blätter geraucht werden. Von einer Roheinnahme ist abzuraten, da mitunter zu hohe Dosen zum Tode führen können.
Dosiere immer ganz niedrig, da sich der jeweilige Alkaloidgehalt der Pflanzen schwer einschätzen lässt, und somit eine Überdosierung schnell erreicht werden kann!!!
Niemals allein konsumieren!
Vom Mischkonsum muss im allgemeinen abgeraten werden, da eventuelle Wechselwirkungen nicht oder nur schwer vorhersagbar sind.
Bilsenkraut ist lethal giftig und deren einzelne Wirkbestandteile als Medikament rezeptpflichtig.
Personen mit Erkrankungen des Herzens sollten Bilsenkraut auf jeden Fall meiden.
Schwangere und stillende Frauen sollten aufgrund der toxischen Inhaltsstoffe auf Bilsernkraut-Konsum gänzlich verzichten. Kinder sollten wegen der Vergiftungsgefahr von Bilsenkraut fern gehalten werden.
Risiken eines Notfalles
Das Hauptrisiko der Vergiftung ist die zentrale Atemlähmung. Dies kann durch künstliche Beatmung abgewendet werden. Als erste Hilfestellung ist die Verabreichung medizinischer Kohle zu empfehlen, welche die aufgenommen Gifte bindet und die Aufnahme ins Blut verhindert. Zudem sollten temperatursenkende Maßnahmen ergriffen und ärztliche Hilfe gerufen werden.