Zauberpilze - Eine Gradwanderung
Eine Gradwanderung
Ich möchte über mein Erlebnis mit so genannten "Magic Mushrooms" berichten. Ich war gegen Abend mit meinen Freunden unterwegs, als mir einer von ihnen Selbstgezüchtete Pilze anbot. Er erklärte mir, dass man aber Mental voll ausgeglichen sein sollte um die Gefahr eines "Bad Trips" zu minimieren. Ich muss zugeben, dass ich immer schon leichte depressive Charakterzüge gepaart mit Hypochonder hatte und beschloss daher nur einen 3/4 Pilz zu konsumieren.
Eine Wirkung hatte ich mir also nicht wirklich versprochen, schließlich sollen 3 Pilze eine mittlere Dosis darstellen. Wir waren bereits auf dem Heimweg zur Wohnung eines Freundes, als mir dann nach zirka 10 Minuten überaus schwindlig wurde und mein Kreislauf stark angeschlagen wurde. Ich hatte das intensive Gefühl auf einem Schiff bei schwerem Seegang zu laufen und der Weg "heim" kam mir schier endlos vor. Die Assoziation von Moses und der 40 Jährigen Wanderung durch die Wüste blitzte in meinem Kopf auf. Mir wurde Übel und ich hörte zunehmend schlechter. Meine Freunde versuchten mich zu beruhigen indem sie mir immer wieder ablenkende Fragen stellten, sich mit mir oder gegenseitig unterhielten - einfach alles andere als Stille aufkommen zu lassen. Nach einer Ewigkeit, so schien es mir, kamen wir nun in der Wohnung an. Mein erstes Ziel war die Toilette. Ich sah in den Spiegel und meine Pupillen pulsierten und mein Gesicht sah "schwammig" aus. In diesem Moment wollte ich nur noch eines: Das es vorbei ist, ich bereute die Einnahme und wurde regelrecht panisch. Ich hatte Angst einen Kreislaufkollaps zu erleiden und trank das erstbeste was ich in die Hand bekam - Cola, wie sich später herausstellte intensiviert Koffein, wenn auch nur im geringen Maße, die Auswirkungen eines Trips.
Mein nächstes Ziel war die Kloschüssel, Details möchte ich dem Leser an dieser Stelle ersparen. Ich setzte mich zu meinen Freunden ins Wohnzimmer auf die Couch und machte es mir "gemütlich" und nun ging es erst richtig los. Mein Körper fühlte sich eigentümlich an, mehr wie eine Hülle als mein eigen Fleisch und Blut. Mir war gleichzeitig Heiß, Kalt und auch gar nichts. Ich wurde still und zog mich in mich selbst, und das im wahrsten Sinne des Wortes, zurück. Meine Freunde redeten weiter, ich konnte die Worte zwar verstehen in die Sätze aber keinen Sinn mehr bringen.
Einerseits wollte ich auch mit ihnen sprechen konnte es aber nicht. Das Gefühl für Zeit ging komplett verloren, 0:30 Uhr, 1 Tag, 2005, das waren alles leere Worte ohne Sinn für mich. Die Zeit schien nahezu stillzustehen, man hatte mir vorher gesagt dass es 5 - 8 Stunden dauern kann. Mit meinen letzten Rest Verstand berechnete ich, dass nun 15 Minuten seit Eintreffen vergangen waren, die Panik steigerte sich weiter. Der Fernseher wurde eingeschaltet, es lief Harald Schmidt. Sein Gesicht schien sich zu deformieren, ja geradezu zu verwirbeln. Die Schrift von der Hintergrunddekoration verlief sich in Mustern und wechselte stetig in allen Farben des sichtbaren Spektrums. Ich schaute nach links am Fernseher vorbei auf die Schränke und die "weiße" Wand. Auch hier, alles verlief sich in Mustern, die Wand wurde abwechselnd Braun, Orange, Grün und Lila.
Meine größte Dummheit war wohl, dass Pilze die erste Droge in meinem Leben waren, ein mit Abstand etwas extremer Einstieg. ich wurde immer panischer, allerdings nur im Innern, nach Außen, war ich paralysiert und geistesabwesend. Wieder guckte ich zur Uhr, ich konnte kaum glauben was ich sah, es waren gerade mal 2 Minuten vergangen. Ich bekam Angst hängen zu bleiben und für immer in dieser Parallelrealität stecken zu bleiben. Man hat das Gefühl Geisteskrank zu werden und davon aber zu wissen und von der Tatsache, das da Draußen noch eine normale Realität ist in die man nicht mehr, oder nur sehr mühsam und dann nur für kurze Zeit, zurück kann. Ich bat meinen Freund, meinen Eltern anzurufen und sie zu bitten mich abzuholen.
In diesem Moment war es mir auch vollkommen gleich ob sie vom Drogenkonsum erfuhren, im Nachhinein wie ich denke eine weise Entscheidung. Bis mein Vater eintraf verging noch eine Weile. Das Bild auf dem Fernseher wurde zu einer Spirale und wenn ich die Augen schloss tauchte ich in komplett andere Welten ab. So ging ich zum Beispiel durch grüne und rosa Gänge mit ständig wechselnden Mustern und Formen um dann in einer riesigen Halle um einen gigantischen Kerzenleuchter zu schweben.
Man kennt ja diese Klischee Bilder von den 60er Jahren, wie ein Trip angeblich aussehen soll, aber genau so war es. Mein Vater traf ein. Ich wurde aus dieser Realität gerissen und fand mich im Wohnzimmer meines Freundes wieder. Man fragte mich ob ich gehen könnte, das hielt ich im ersten Moment für völlig ausgeschlossen aber zu meinem eigenen Erstaunen war es möglich wenigstens halbwegs in der normalen Welt zu bleiben, wenn Dialoge auch nur begrenzt möglich waren.
Meine Eltern anrufen zulassen, halte ich heute für die beste Wahl, die ich treffen konnte, denn es ist ungewiss ob sich meine anfängliche Panik von selbst gelegt hätte, schließlich war das meine erste Drogenerfahrung und dazu noch eine ziemlich intensive. Ich stieg bei meinem Vater ins Auto und schlagartig verflog jegliche Angst, ich fühlte mich nun sicher und genoss die Fahrt in vollen Zügen. Es war Nacht in Berlins Straßen und all die Ampeln, leuchtenden Fenster und Lampen erstrahlten in einem einzigen Feuerwerk sich ständig ändernder Farben. Star Trek beschreibt den Eindruck hierbei am Besten. Ich wurde extrem glücklich, klappte den Beifahrersitz leicht nach hinten, verschränkte die Arme wie eine Mumie und grinste.
Mein Vater meinte auch ich hätte ab und zu gekichert, aber daran kann ich mich persönlich nicht mehr erinnern. Plötzlich überkam mich ein starkes Gefühl der Erleuchtung, so als hätte ich gerade ein erhellendes Gespräch mit dem Herrn den Allmächtigen gehabt. Die Dinge, welche es auch immer sein mögen denn ich kann mich nicht mehr erinnern, ergaben plötzlich einen Sinn, alles war mir klar und ich hatte den Eindruck von einer großen seelischen Last befreit zu sein.
Zuhause angekommen setzte ich mich ins Wohnzimmer zu meinen Eltern, zu meiner Verwunderung und das honoriere ich bis heute, reagierten sie erstaunlich cool. Die einzige Kommentierung meiner Mutter beschränkte sich auf ein schmunzeln, allerdings ist diese gelassene Reaktion mit der unausgesprochenen Erwartung gekoppelt, dass ich eine solche Dummheit nie wieder begehe.
Wir sahen nun Fernsehen, zu Begin einen Steven Seagall Film, die Story - soweit denn überhaupt eine vorhanden war - konnte ich nicht verfolgen, Zeitabschnitte und Zusammenhänge konnte ich nicht mehr nachvollziehen. Bereits am Ende eines Satzes hatte ich dessen Anfang wieder vergessen. Die Gesichter der Darsteller wirkten plastisch oder wachsartig und sie machten irgendwie keinen Sinn mehr. Die Nase war auf der Stirn und die Augen am Kinn. Zudem verformten die Gesichter sich die ganze Zeit über konfus. Ich ging ins Bad, die feine Marmorierung der Fliesen verschwamm und wurde fließend. Und als ich in den Spiegel schaute, sah mein Gesicht wie das einer Katze aus. Meine Eltern hatten umgezappt und schauten einen Krimi. Die Farben leuchteten und pulsierten, um es mit der PC Sprache zu beschreiben - Bloom Effekt überall. Den Handlungsstrang konnte ich natürlich nicht verfolgen, ich dachte nur immer wieder: "Hey, den hab ich doch schon mal gesehen!" Die Gesichter der Schauspieler verzogen sich zu Wolfsgrimassen, dennoch beschlich mich nur einmal für einen ganz kurzen Moment ein Angstgefühl.
Ich schloss die Augen und sah eine widerwärtig verzerrte Clownsvisage mit Reißzähnen. Ich öffnete die Augen und der kurze Spuk hatte Gott sei Dank ein Ende. Nachdem Krimi war eine Art "Best of" irgendeines Zirkusses zu sehen. In diesem Zustand, waren die farblichen Scheinwerfer ein einziges Spektakel, ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und es wurde noch besser. Meine Tonwahrnehmung wurde extrem scharf und jeder einzelne Klang war ein Highlight. Die überschaubare Zirkuskapelle erklang wie ein 10.000 Mann Orchester der weltbesten Instrumentenspieler der Erde. Bis heute bereue ich zutiefst nicht eine Klassik CD eingelegt zu haben, welch Erlebnis wäre das geworden. Bei dem Gedanken an diese verpasste Gelegenheit kommen mir heute manchmal fast die Tränen.
Ich glaube es war gegen 5 Uhr morgens als meine Eltern zu Bett gingen, selbst mein Vater der ein ausgesprochener Frühschläfer ist. Sie sagten zwar nichts, wollten wohl aber abwarten bis mein Trip vorbei war. Gegen 8:00 Uhr morgens war ich immer noch wach. Das gröbste hatte ich bereits 2 Stunden vorher hinter mir, Gegenstände schienen aber immer noch zu pulsieren und ich war appetitlos und "unfröhlich". 2 Tage später hatte ich dann und wann immer noch sehr leichte Probleme mit Zeitabspannen und dem Nachvollziehen von Handlungsabläufen und Gesprächen.
Abschließend sei gesagt, Pilze sind eine Gradwanderung, zu 50% ist es ein himmlisches Erlebnis und zu 50% ein Horrortrip. Und es kann sehr leicht von einem zu anderen Zustand umschwanken. Wer mental nicht absolut ausgeglichen ist, sollte die Finger davon lassen und falls man aufkommende negative Gedanken bemerkt - "flüchtet" am besten zu einer Person der man vertraut und bei der man sich geborgen fühlt.
Der für den Trip verantwortliche Stoff in den Pilzen tut im Grunde genommen nichts anderes als die Dämme für die Signalübertragung in eurem Gehirn zu öffnen. Man erlebt also eigentlich nur das was bereits im Kopf vor sich geht, nur ungebremst und vom Verstand ungefiltert. Dessen sollte man sich im Klaren sein.
Grüße NB
Substanzen
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