Safer Hören
Für viele Menschen spielt (laute) Musik eine große Rolle in ihrem Leben – ob auf Parties, im MP3-Player oder zu Hause. Aber auch ohne Musik sind Deine Ohren immer auf Empfang. Umso wichtiger ist es, auf Dich und Deine Ohren aufzupassen, damit Du auch weiterhin gute von schlechter Musik unterscheiden kannst.
In diesem Faltblatt haben wir Infos und Tipps zusammengestellt, die Dir dabei helfen können.
Lautstärke ist eine Interpretation des Gehirns der an das Ohr dringenden Schallereignisse. Ob ein Geräusch als laut oder als Lärm empfunden wird, ist u. a. abhängig von:
+ Schalldruckpegel (in Dezibel; dB): Druckschwankungen in der Luft bei der Schallausbreitung, die dann vom Trommelfell in Bewegungen zur Hörempfindung umgewandelt werden. Die Schmerzgrenze wird bei 130 dB verortet.
+ Frequenz bzw. Tonhöhe: Im mittleren Frequenzbereich liegt die menschliche Stimme, diese Töne hört man am besten. Hohe Töne werden lauter und oft als unangenehmer empfunden als tiefe.
+ Impulshaltigkeit: Geräusche mit konstanter oder gleichmäßiger Lautstärke werden als angenehmer empfunden als Geräusche mit starken Pegeländerungen (z. B. Hämmern oder Knallgeräusche).
+ Set und Setting: Ob man Geräusche als Lärm empfindet, hängt auch davon ab, was man gerade tut (schlafen, konzentriert arbeiten, spazieren gehen), ob man die jeweiligen Geräusche gewohnt ist, ob man sie mag und wie sie vom Umfeld und in der Gesellschaft bewertet werden (Kirchenglocken, laufender Motor etc.).
Lärmempfinden ist somit individuell und situationsabhängig – sagt aber nicht unbedingt etwas über die tatsächliche Belastung aus.
Ein konstant einwirkendes, lautes Umgebungsgeräusch (z.B. Straßenlärm) führt zu einer ständigen Überreizung und damit zu einer langsamen Schädigung der Sinneszellen im Ohr. Deswegen ist im Arbeitsbereich die zulässige Lärmbelastung über 8 Stunden auf 85 dB begrenzt.
Der übliche Tagespegel im Wohnbereich liegt zwischen 40 und 60 dB (Kühlschrank, Gespräch). Ganz leise oder kaum hörbar ist leichter Wind und Schneefall (10 – 20 dB).
Oftmals unterschätzt wird die Belastung durch den sogenannten Freizeitlärm. Das sind Geräusche, die wir häufig als angenehm wahrnehmen, obwohl sie hohe Lautstärken erreichen können: Sound bei Filmen im Kino (v. a. Actionfilme) oder bei Computerspielen; Publikumslautstärke und musikalisches Rahmenprogramm bei Sportereignissen im Stadion oder in einer Veranstaltungshalle, Musik auf Parties (HipHop, Techno) und bei Konzerten (Rock, Jazz, Klassik etc.) oder Musik im Kopfhörer von MP3-Playern.
Was bewirkt Lärm in Körper und Psyche?
Die Aufnahme von Schall wird über das vegetative Nervensystem (VNS) verarbeitet. Es ist im Körper für Anpassungs- und Regulationsvorgänge und die Kontrolle lebenswichtiger Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Verdauung und Stoffwechsel zuständig. Somit beeinflussen Geräusche nicht nur die Gesundheit der Ohren, sondern die des ganzen Körpers und der Psyche.
Lärmbelastung kann bspw. zu erhöhtem Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Pupillenerweiterung, Kopfschmerzen und motorischer Unruhe führen. Auch bei kurzer Lärmbelastung, z. B. auf einer Party, kann es zu einer verstärkten Ausschüttung von Hormonen (v. a. Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol) und somit zu einer Beeinflussung des Stoffwechsels kommen.
Dies kann sich (auch langfristig) äußern in: Nervosität, erhöhter Aggressivität, Angstzuständen, gestörter Tiefschlafphase, Schlaflosigkeit; beeinträchtigter Leistungsfähigkeit (Fehler, Unfälle, Krankheit).
Ob es zu Hörkraftverlusten durch Lärmschäden kommt, hängt vor allem davon ab, wie lange Du Deine Ohren lauten Geräuschen mit bestimmten Frequenzen aussetzt.
Dabei merkst Du selten unmittelbar etwas von diesen Schädigungen. Aber: Dein Gehör »merkt« sich sämtlichen gehörschädigenden Schall, dem es jemals ausgesetzt war. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer unwiderruflichen Schädigung des Innenohrs. Auch mit einem Hörgerät lässt sich das nicht mehr reparieren.
Die Hörsinneszellen, die im Innenohr die Schallwellen in Nervenimpulse umwandeln und ans Gehirn weiterleiten, haben feine Härchen, die wie unzählige kleine »Mikrofone« zur Aufnahme der Schallwellen da sind. Diese Härchen nutzen sich mit der Zeit ab bzw. werden immer weniger. Durch viel und häufigen Lärm wird dieser Vorgang verstärkt und beschleunigt.
Am häufigsten treten Schallempfindungsstörungen auf, d. h. die Umwandlung des Schalls im Innenohr ist gestört. Dadurch hört man nur sehr leise, bestimmte Frequenzen gar nicht oder nicht mehr so gut oder Menschen müssen langsamer sprechen, damit man sie verstehen kann.
Wenn Du nach lautem Musikhören ein Pfeifen, Zischen, Knacken oder Rauschen im Ohr hast (Tinnitus) oder dumpf hörst (als hättest Du Wasser im Ohr), kann eine vorübergehende Hörminderung vorliegen. Bei ausreichender Ruhezeit erholen sich die Ohren meist wieder. Halten die Ohrgeräusche jedoch dauerhaft an, hat dies v. a. psychische Auswirkungen: Konzentrations- und
Schlafstörungen, depressive Verstimmungen und Ängste. Beim Auftreten dieser Symptome kann eine psychotherapeutische Behandlung hilfreich sein.
Treten neben den Ohrgeräuschen plötzlich starker Schwindel, (meist auf einer Seite) Hörverlust und/oder Druckgefühl, aber keine Ohrenschmerzen auf, handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Hörsturz. Es besteht das Risiko dauerhafter Schädigungen des Hörvermögens.
Sowohl Lärm als auch Drogenkonsum wirken sich auf den gesamten Organismus aus; beide beeinflussen teilweise die gleichen Vorgänge im Körper. Dementsprechend bist Du einer höheren Belastung ausgesetzt, wenn Du in einer lauten Umgebung Drogen konsumierst.
Der Konsum psychoaktiver Substanzen kann außerdem die Wahrnehmung von Geräuschen verändern. Besonders der Schalldruck wird oft weniger massiv empfunden als er wirklich ist. Umgekehrt kann Lärm die Wirkung von Drogen psychisch und physisch beeinflussen.
Uns sind folgende »Wechselwirkungen« von Lärm und Drogenkonsum bekannt (das bedeutet nicht, dass es bei anderen Substanzen keine Auswirkungen gibt):
+ wahrnehmungsdämpfende Substanzen (z. B. Benzos, Alkohol): Das Hörvermögen wird beeinträchtigt, Lärm wird weniger laut empfunden, Schädigungen des Ohrs durch (dauerhafte und) zu starke Lärmbelastung möglich.
+ wahrnehmungsverändernde Substanzen (z. B. Cannabis, 2C-B, Pilze, LSD, Meskalin): Geräusche werden mitunter viel lauter wahrgenommen, als sie sind; akustische Halluzinationen möglich – das kann zu psychischem Stress führen, muss aber keine direkten Schädigungen im Ohr nach sich ziehen.
+ Dissoziativa (z. B. Ketamin, PCP): Manche Frequenzbereiche, die das Hörvermögen schädigen können, werden nicht wahrgenommen.
+ Lachgas: Druckanstieg im Innenohr, bei Usern mit Mittelohrentzündungen bzw. Problemen mit dem Trommelfell kann es zu Schädigungen des Ohrs oder zu Hörverlust kommen.
+ Upper (Speed, Crystal): der Organismus wird in Alarmbereitschaft versetzt und Geräusche werden mitunter früher, lauter oder deutlicher wahrgenommen (psychischer Stress); die Auswirkungen von Lärm und Substanzkonsum können sich verstärken, z. B. sind stärkere Hörschäden durch erhöhten Blutdruck (und somit schlechtere Durchblutung im Ohr) möglich.
+ 4-FA: Bei hohen Dosen Gleichgewichtsprobleme und vorübergehender Hörsturz möglich.
+»Rauchwaren« (Tabak, Cannabis, Räuchermischungen etc.): Auf Grund des Sauerstoffmangels in verrauchter Luft werden (auch bei Nichtraucher_innen) die Haarzellen im Innenohr schlechter versorgt, so dass es eher zu Hörschäden kommen kann.
Die Fähigkeit gut zu hören, nimmt mit zunehmendem Alter ab. Es ist deshalb ratsam, sich ein gutes Gehör so lange wie möglich zu erhalten und nicht schon in jungen Jahren kaputt zu machen.
Menschen mit bestimmten Erkrankungen (z. B. Hirnhautentzündung oder Depressionen) leiden häufig unter einer hohen Lärmempfindlichkeit. Bei Personen mit Veranlagung zu Krampfanfällen und Frauen mit Eklampsie (Schwangerschafts-Bluthochdruck-Erkankung) kann Lärm u. U. einen Anfall auslösen. In diesen Fällen starke Lärmbelastungen vermeiden bzw. Hörschutz
verwenden.
Um zu wissen, wie gut Dein Gehör ist, kannst Du bei HNO-Ärzt_innen oder in einem Hörgeräteladen (regelmäßig) Hörtests machen. Solltest Du bereits Schädigungen haben, achte besonders auf Hörschutz !
Viele billige oder kostenlos mitgelieferte Kopfhörer von z. B. MP3-Playern klingen schlecht und bieten kaum Schutz gegen Geräusche von außen; die Lautstärke wird sehr stark aufgedreht, um die Musik besser hören zu können. In-Ohr-Kopfhörer bzw. Kopfhörer, die Umgebungsgeräusche abdämmen, sind zwar etwas teurer, aber wesentlich besser für die Ohren.
Die Lautstärke ist unmittelbar vor einer Schallquelle besonders hoch (und der Sound übrigens auch nicht so gut). Außerdem werden hohe, für das Gehör besonders schädliche Töne im Gegensatz zu tiefen Tönen häufig in eine Richtung abgestrahlt. Halte Dich also nicht direkt vor einer Schallquelle (z. B. Lautsprecher) auf.
In geschlossenen Räumen (Zimmer, Club, Veranstaltungshalle) wird der Schall an den Wänden reflektiert – wie stark, ist abhängig davon, ob der Schall »geschluckt« werden kann (z. B. durch anwesende Personen, Stoffe, Bau- und Dämmmaterialien). Je weiter entfernt Du von Wänden stehst oder tanzt, desto weniger laut ist es.
In Diskos und Clubs steigt die Lautstärke der Musik im Laufe der Nacht oft unbemerkt an: Mit steigender Anzahl der Gäste steigt der Geräuschpegel und zugleich wird der (Musik)Schall stärker geschluckt. Durch die permanente Schalleinwirkung kommt es bei Gästen, DJs und Personal bereits nach kurzer Zeit zu einer vorübergehenden Schwerhörigkeit (»Vertäubung«). Das alles soll durch eine Erhöhung der Lautstärke »übertönt« werden. Es wird also lauter, auch wenn es Dir nicht so vorkommt – deshalb Ohrstöpsel benutzen.
Es gibt verschiedene Ohrstöpsel zu unterschiedlichen Preisen: Wachs- / Silikon- / Schaumstoff- oder Kunststoffplugs, Ohrstöpsel mit eingebauten Filtern oder Spezialanfertigungen für Profis (auch für DJs !). Eine große Auswahl zu günstigen Preisen findest Du im Internet. Vielleicht kann auch jemand aus Deinem Bekanntenkreis kostenlos Ohrstöpsel von seiner/ihrer Arbeitsstelle (Baustelle, Fabrik, Krankenhaus) mitbringen.
Für den Party-Einsatz sind Schaumstoffplugs praktisch. Sie sind günstig, teilweise waschbar (mit warmem Wasser und milder Seife) und können so mehrmals verwendet werden. Allerdings gibt’s beim Klang recht starke Einbußen. Hier sind Ohrstöpsel empfehlenswert, die durch einen eingebauten Filter in allen Frequenzbereichen dämmen (lineare Lärmreduzierung). Sie sind etwas teurer, aber bei guter Pflege lange haltbar.
Ist Dir die Musik zu laut, mach gegebenenfalls den Veranstalter / die Veranstalterin darauf aufmerksam! Frag nach, ob es am Einlass oder an der Bar Ohrstöpsel gibt!
Gönne Dir und Deinen Ohren ausreichende Ruhepausen und Erholungsphasen. Bei geringerer Schallbelastung (unter 50 dB) kann sich Dein Gehör regenerieren.
Wenn Du gerade nicht tanzt, such einen ruhigeren Ort auf der Party auf, möglichst auch mal an der frischen Luft !
Ausreichend alkoholfreie Getränke zu Dir nehmen! Auch das Ohr braucht Wasser und Nährstoffe. Fehlen sie, kann es noch stärker geschädigt werden als sonst.
Nach der Party: Gib Deinem Körper (und Deinen Nerven) eine Pause. Keine Musik zum Einschlafen hören. Außengeräusche so gut wie möglich »aussperren« (Fenster und Türen schließen). Auch am nächsten Tag hohe Lärmbelastung vermeiden.
Stellst Du nach (längerer) Lärmeinwirkung Ohrengeräusche fest und halten sie länger als einen Tag an, suche eine_n HNO-Ärzt_in auf. Bei Verdacht auf Hörsturz wende Dich möglichst schnell an einen Arzt/eine Ärztin. Bis dahin gilt: absolute Ruhe, Stress vermeiden!
Diese Informationen sind keine Anleitung oder Motivierung zum Drogenkonsum! Fast alle der hier aufgeführten Substanzen unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Besitz, Erwerb
und Handel mit dieser Substanz sind strafbar! Dieser Text wurde nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch können Irrtümer nicht ausgeschlossen werden. Die Drug Scouts übernehmen keine Haftung für Schäden, die durch irgendeine Art der Nutzung der Informationen dieses Textes entstehen.
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14.09.2011: Tinnitus ist der Phantomschmerz des Innenohrs Berkely – Einem Tinnitus liegt fast immer eine Hörstörung zugrunde. Tierexperimentelle Studien in den Proceedings of the National Academy of Sciences (2011; doi: 10.1073/pnas.1107998108) belegen jetzt die unter Experten verbreitete Ansicht, nach der die Ohrgeräusche durch eine neuronale Reorganisation im Bereich der Hörrinde im Cortex entstehen, vergleichbar der Entstehung von Phantomschmerzen nach Amputationen.
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